Der Traum vom Fliegen wurde wahr
Zwei Segelflugschüler berichten von Ihrer Ausbildung beim Flugsportclub Odenwald: Sehr spät in der Segelflug-Saison 2024 machten sich zwei Flugschüler des FSCO Walldürn selbst ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk: sie haben die praktische Prüfung bestanden und sind somit jetzt offiziell Piloten mit Privatpilotenlizenz. Der Verein und alle Mitglieder gratulieren hierzu herzlich und wünschen allzeit gute, schöne und sichere Flüge!
Im Gespräch erzählen Tim Köpfle (21 Jahre) und Florian [Flo] Bock (15 Jahre), wie sie zum Fliegen gekommen sind und wie die Ausbildung verlief.
Wie hat es bei Euch mit dem Abenteuer "Fliegen" begonnen?
Tim: Begonnen hat meine fliegerische Karriere bereits im Kindesalter, wie bei vielen Piloten. Beim Fliegen mit kleinen ferngesteuerten Modellflugzeugen war für mich bereits früh klar, dass ich eines Tages selbst mal in einem Cockpit sitzen möchte. Doch dieser Traum ist als Kind noch so weit entfernt. „Fliegen ist nur was für Erwachsene“ habe ich mir damals gedacht und bis man 18 ist, dauert es eine ganze Weile. Doch so lange musste ich zum Glück nicht warten. Durch einen Bekannten erfuhr meine Mutter, dass es mit dem Segelfliegen eine Möglichkeit gäbe, wie man sich schon früher in ein Cockpit setzen konnte und das schon mit 14 Jahren! Als ich davon erfuhr, damals im Alter von 13 Jahren, war ich natürlich Feuer und Flamme. Meinen ersten "Schnupperflug" in einem Segelflugzeug machte am Schreckhof in Mosbach. Kurz darauf gab es auch in Walldürn die Möglichkeit, das Segelfliegen an einem Schnupperwochenende besser kennenzulernen. Man durfte sich sogar mehrmals ins Cockpit setzen und sogar selbst mal ans Steuer. In diesem Moment hat mich das Segelflugfieber gepackt und ich bin dem Flugsportclub Odenwald in Walldürn beigetreten.
Flo: Meine Segelflugausbildung startete mit einem Rundflug, den ich zum Geburtstag bekommen habe. Dieser hat mir sehr viel Spaß bereitet und war auch der ausschlaggebende Punkt zum Start der Ausbildung. Mit 14 absolvierte ich dann im Frühjahr 2023 meine ersten Schulungsflüge im Flugzeug-Schlepp, wobei ich schon direkt in den ersten Flügen ans Steuer herangeführt wurde. Mir wurden viele Dinge erklärt, auf die man alles achten musste, sowie wurde ich direkt an bestimmte Verfahren herangeführt, die sehr wichtig sind, wie die Start-/ Landecheckliste, immer rausschauen, auf Fahrt achten und koordiniertes Steuern, auch im Landeanflug.
Und wie ging es weiter – wie waren Eure Erfahrungen am Anfang der Ausbildung?
Tim: Damals, als ich dem Verein beigetreten bin, gab es viele Segelflugschüler und man war eine richtige Jugendgruppe aus Jung und Alt. An fast jedem Wochenende im Sommer wurde geflogen. Gestartet wird entweder an einem langen Seil hinter einem Motorflugzeug oder aber meistens mit der Winde, die einen mit der Beschleunigung eines Formel1-Autos bis zu 400 m nach oben zieht. Als Schüler darf man dabei im Schulungsflieger - der ASK-21 - vorne sitzen, während der Fluglehrer hinten sitzt und immer bereit ist, um im Bedarfsfall einzugreifen. Im Laufe der Ausbildung hatte ich viele verschiedene schöne Erlebnisse, allerdings gehörte wohl auch die Übelkeit bei längeren Flügen dazu. Das hat sich aber nach einer gewissen Eingewöhnungsphase gegeben und ich konnte die vollen Vorzüge des Segelfluges genießen. Besonders im Gedächtnis blieb mir der Mitflug bei der deutschen Nationalmannschaft im Segelkunstflug, die jährlich in Walldürn trainieren. Nach einer Trudeleinweisung, die für den Pflichtbestandteil der Ausbildung ist, haben wir alle möglichen akrobatischen Flugmanöver geflogen, was mich sehr beeindruckt hat. Doch auch normale Flüge können faszinieren. Wenn man zwischen Wolken hindurchfliegt, die an gewaltige Bergmassive erinnern, gemeinsam mit Vögeln in der Thermik kreist, einen Rettungshubschrauber unter sich hindurchfliegen sieht oder einen kreisrunden Regenbogen um den Schatten des eigenen Fliegers auf einer Wolke erstrahlen lässt.
Das erste große Ziel für mich war der erste Alleinflug, also der erste Flug, bei dem man ganz allein im Flugzeug sitzt. Diesen konnte ich am Ende der Saison im Jahr 2019 absolvieren. Wie es die Tradition verlangt, hatte ich im Anschluss daran einen Brennnesselstrauß in der Hand, bestehend aus Brenneseln, Disteln und allem Stacheligem, was so auf dem Flugplatz wächst. Der Strauß dient für ein gutes fliegerisches Gefühl in den Fingern und durch einen mehr oder weniger sanften Klapps auf den Po wird das „Sitzfleisch“ für lange und hoffentlich erfolgreiche Thermikflüge geformt.
Nach Ablegung aller schriftlichen Prüfungen wäre jetzt der nächste Schritt die Vorbereitung auf die praktische Prüfung gewesen. Leider kam es jedoch ganz anders, denn die Corona-Pandemie hat auch die zivile Luftfahrt hart getroffen, wodurch wir aus mehreren Gründen für fast 2 Jahre keinen geregelten Schulbetrieb aufbauen konnten. Außerdem waren dann viele andere Flugschüler und junge Flieger mittlerweile in einem Alter, in dem die berufliche Karriere im Vordergrund stand. Ich und auch einige andere hatten nicht wie früher immer Zeit, am Wochenende an den Platz zu kommen.
Und was waren Eure größten Herausforderungen zu Beginn der Ausbildung?
Flo: Eher schwierig ist es mir am Anfang gefallen, die Höhe korrekt einzuschätzen, beispielsweise die 200m an der Position zum Landefeld. Mit Hilfe des Höhenmessers kann man zwar seine aktuelle Höhe ablesen, jedoch hat man in einem Segelflugzeug ein kontinuierliches Sinken, welches man erst richtig einschätzen muss, damit man mit genügend Höhe zur Landung ansetzt und nicht auf einem Acker landet. Nach Beherrschung der Grundlagen wurde ich auch an das Starten herangeführt. Meine ersten Starts an der Winde waren unvergesslich. Die Beschleunigung von 0 auf 100 in 3 Sekunden ist wie Achterbahn fahren. Zu Beginn musste ich erst im oberen Teil des Windenstarts die Kontrolle übernehmen, d.h. wenn man schon „stabil“ im ca. 45Grad-Winkel am Seil hängt. In den anschließenden Starts durfte ich dann den gesamten Startvorgang fliegen, was sehr aufregend war. Nach ein wenig Übung ist das in Routine übergegangen und die Aufregung ist von Start zu Start weniger geworden. Danach durfte ich auch meine ersten Flugzeug-Schleppstarts selbst fliegen (hinten saß natürlich der Fluglehrer), die erstaunlich gut funktioniert haben. Der spannendste Teil und für mich auch ein sehr schöner Moment war meine erste Landung ‚eigene‘ Landung. Zusammen mit Fluglehrer Martin Westermann durfte ich nicht nur den Anflug steuern, sondern auch das Abfangen kurz vor dem Boden und das Aufsetzen. Davon machte ich direkt einige hintereinander, um ein wenig Sicherheit und Routine zu bekommen. Nun beherrschte ich die Grundlagen und es ging im weiteren Ausbildungsabschnitt um das Verfeinern von fliegerischen Fähigkeiten. Mit Fluglehrer Wolfgang Kapferer führten wir meine erste Startunterbrechung (Seilrissübung im Windenstart) durch. Diese ist sinnvoll, da ein Seil oder manchmal auch die eingebaute Sollbruchstelle aufgrund von Überlastung reißen kann und man in solchen Fällen wissen sollte, wie man handeln muss. In den nächsten Wochen war der Winter angebrochen und die Flieger wurden abgebaut. Jetzt war es Zeit, Arbeitsstunden zur Pflege der Flieger zu leisten und sich um die Theorie zu kümmern.
Genau, neben der Praxis ist ja auch Theorie und Flugfunk zu meistern. Was waren hier Eure Erfahrungen?
Flo: Ich selbst habe den Winter über die notwendigen theoretischen Grundlagen gelernt, die ich für die weiteren Fortschritte in der Segelflugausbildung benötige. So gab es noch Fächer, wie Navigation, Flugleistung und Planung, menschliches Leistungsvermögen und Kommunikation, bei denen man auch sehr viel fürs Leben lernen kann. Die Theorieprüfung dafür war dann erst in den Pfingstferien. Kurz vor meiner Theorieprüfung hatte ich meinen ersten Alleinflug. Diesen Moment, wenn man das erste Mal ganz allein fliegt, mit 15 Jahren und ohne Fluglehrer, ist echt unvergesslich. Die Prüfung an sich verlief sehr gut und ich habe alle 9 Fächer bestanden. Sie war sogar einfacher als erwartet. Ich habe fast jede Prüfungsfrage vorher schon einmal gesehen, denn es gibt Apps, mit denen man die Fragen vorher so oft wie man möchte durchklicken kann, wie in der Fahrschule auch. Mit bestandener Theorie durfte ich auch ein einsitziges Segelflugzeug fliegen und mit Flugaufträgen von meinen Fluglehrern auch ein wenig Thermikfliegen. Nach meinem ersten Thermikflug von etwa zweieinhalb Stunden war ich überglücklich und das war mir auch anzumerken – ich wusste nun, dass sich der Aufwand gelohnt hat. Von da an flog ich fast jedes Wochenende bei gutem Wetter auch gerne mal längere Flüge. Danach war der Flugfunk-Schein angesagt. Ich entschied mich dazu, das BZF 1 (Deutsch und Englisch) zu machen, auch wenn das BZF 2 (nur auf Deutsch) ausreichend gewesen wäre. Der Lernaufwand im Vergleich zur Theorieprüfung war sehr viel geringer. Bei mir hat es gereicht, in ca. 1-2 Wochen die entsprechende Phraseologie zu lernen. Auch hier war die Wartezeit deutlich höher als erwartet und ich musste noch einige weitere Wochen auf einen Termin bei der Bundesnetzagentur in Reutlingen warten. Aber die Prüfung lief hervorragend.
Und zum Schluss wurde es vor der Prüfung doch noch einmal eng? Was war da ein wichtiger Faktor und was sind die nächsten Pläne?
Tim: Als Flo dazu kam, brachte er neuen (Auf-)wind mit und ich bin dann wieder regelmäßig fliegen gegangen, trotz meinem Maschinenbaustudium. Zusammen mit ihm absolvierte ich auch noch die letzten Hürden, um endlich prüfungsreif zu werden. So konnte ich Ende Oktober 2024 meine Prüfung ablegen und war nun fertiger Segelflugpilot. Das Ziel ist endlich erreicht! In Zukunft freue ich schon darauf endlich allein, oder auch im Duo mit Fliegerfreunden, den Himmel über Deutschland zu erkunden und hoffe auf viele weitere schöne Erlebnisse.
Flo: Zum Schluß der Ausbildung musste noch einmal getrudelt werden, um alle Voraussetzungen für die praktische Prüfung zu haben. Da es schon Ende Oktober war, hat das Wetter oft einen Strich durch die Rechnung gemacht. Irgendwann hatte das Wetter ein Einsehen und ich konnte den Flug mit der Citabria, einem kunstflugfähigen Motorflugzeug, durchführen. Es geht darum, dass man erfährt, welcher Flugzustand das Trudeln ist, wie dieser entsteht und wie man diesen vermeidet und ausleitet. Natürlich durfte ich auch hier wieder ans Steuer und das Ausleiten selbst üben. In den folgenden Tagen wurde ich direkt zur praktischen Prüfung angemeldet. Mein Ziel war es die Ausbildung vor dem Ende der Saison und somit dem Abbauen der Flieger zu schaffen, was mir auch gelungen ist. Mein Prüfer war sehr nett, und wir führten praktische Flugmanöver wie Langsamflug, Rollübungen und hochgezogene Fahrtkurven durch. Der Prüfer war mit meiner Leistung zufrieden und somit bestand ich meinen Schein. Nun muss ich nur noch warten, bis ich 16 Jahre alt bin, um als Scheininhaber fliegen zu können.
Was gebt ihr Interessierten am Flugsport mit?
Tim: Leider gibt es aktuell in der Sparte Segelflug zu wenig Nachwuchs. Vielleicht auch, weil viele denken, sich so ein Hobby nicht leisten zu können. Doch Segelfliegen ist kein Sport für Elitäre, sondern einer für Jedermann. Beispielsweise zahle ich als Schüler bzw. Student im Schnitt „nur“ 300 – 400 € im Jahr, was das Segelfliegen nicht viel teurer als so mancher Streaming-Anbieter macht. Mit dem zusätzlichen Vorteil, dass man Erlebnisse, die man sonst nur aus Filmen und Serien kennt, in der Realität hautnah spüren und dabei unvergessliche Momente sammeln kann. Falls ihr euch also für den Flugsport interessiert, oder vielleicht jemanden kennt, der es tut, dann meldet euch doch mal beim FSCO und vereinbart einen Schnupperflug. Oder ihr kommt einfach mal in Walldürn am Flugplatz vorbei, und schaut euch mal alles an. Wir freuen uns auf euch!
Und wie lange dauert und wieviel kostet so eine Segelflug-Ausbildung?
Flo: Insgesamt habe ich 1 Jahr und 8 Monate für den Schein gebraucht und es war eine sehr gute Entscheidung, die ich getroffen habe. Im Durchschnitt braucht man ca.2-3 Jahre für den Segelflugschein, je nachdem wie motiviert man an die Sache herangeht. Die Kosten sind davon abhängig, wie viele Flugstunden man braucht, das ist für jeden Flugschüler unterschiedlich. Dazu kommen noch Prüfungsgebühren. Insgesamt ist kann man mit 2000-3000€ rechnen.
Und zum Schluss kommt auch Eurer Fluglehrer Wolle Kapferer zu Wort – was gibst Du Deinen ehemaligen Schülern mit auf den Weg?
Wolle: Wir wünschen unseren ehemaligen Flugschülern natürlich jederzeit immer schöne und sichere Flüge. Die Fluglehrer wünschen Euch immer viel Spaß beim Segelfliegen und freuen uns, wenn ihr vielleicht einen beruflichen Weg in diese Richtung einschlagen wollt - ihr wärt nicht die ersten, die mit Segelflug in Walldürn angefangen haben und nun im Linienflugzeug in schöne Urlaubsregionen fliegen. Gerade der Segelflug ist hier doch eine gute Möglichkeit, um auf der einen Seite die Grundlagen der Luftfahrt zu erlernen, aber gleichzeitig auch auf der anderen Seite auch im Einklang mit Natur und Thermik weite Strecken zurückzulegen - oder ihr versucht die Physik im Segelkunstflug zu überlisten und fliegt mal auf den ein oder anderen Wettkämpfen mit. Die Wege stehen Euch da in allen Richtungen offen. Für Euch geht das „richtige Fliegen“ jetzt erst los, ihr werdet bei jedem weiteren Flug wieder etwas Neues dazulernen.